KISI sucht für das jeweilige Kalenderjahr immer nach einem speziellen Motto und anlässlich des Gedenkjahres 500 Jahre Reformation möchten wir heuer das Thema „Einheit“ noch mehr, als wir es ohnehin aufgrund unseres ökumenischen Auftrages tun, in den Fokus rücken. Ein Interview mit KISI-Gründer und Leiter Mag. Hannes Minichmayr.
Welche Bedeutung hat das Thema Einheit für dich persönlich?
Hannes: Ich persönlich bin ungern in Streit mit jemandem und würde mich als harmoniebedürftig bezeichnen. So finde ich es schon deshalb gut, wenn man mit Menschen eins ist und nicht im Konflikt steht. Zumindest nicht über längere Zeit.
Von Jesus her gesehen: In Johannes 17 steht Jesu Wunsch, dass alle eins sind, um auch zu zeigen, dass Gott eins ist. Die spannende Frage ist, was „eins“ bedeutet – müssen alle gleich sein? Das glaube ich nicht. Es gibt dieses geflügelte Wort „Einheit in Vielfalt“, dass verschiedene Menschen eben unterschiedlich sind: Völker, Nationen und dass wir trotzdem eines Sinnes sein können. So ist diese Einheit eine Buntheit, eine Vielfalt, wo wir aber alle zusammengehören, wo alle an einem gemeinsamen Strang ziehen. Von Jesus her bedeutet das, dass alle bekennen: Er ist der Herr!
Christen könnten zeigen, dass Frieden im Namen Jesu möglich sei, sagte der Papst am Pfingstsamstag 2017 im Circus Maximus in Rom. Christliche Gläubige seien gerufen, gemeinsam Jesus als ihren Herrn zu bekennen. Franziskus plädierte für eine “versöhnte Verschiedenheit”.
Warum hat KISI dieses Thema für 2017 ausgesucht?
Hannes: Anlässlich des heurigen Gedenkjahres 500 Jahre Reformation und der Überlegungen, was dieses Jahr bringen wird: Noch mehr Trennung und Betonung der Unterschiede? Oder ein Sich-Annähern, ein Aufeinander-Zugehen?
Bei KISI dürfen wir das bewusste Miteinander von Katholiken und Nicht-Katholiken ja schon seit vielen Jahren leben. KISI hat in einer katholischen Pfarre begonnen, doch plötzlich sind auch Kinder gekommen, deren Eltern nicht (mehr) katholisch waren, die aus der römisch katholischen Kirche ausgetreten waren. Ich erinnere mich an eine Mutter, die mir sagte: „Wenn es euch damals schon gegeben hätte, dann hätten wir gar nicht austreten müssen. Wir suchten etwas für unsere Kinder.“ Das war ein Auftrag für uns. Dieses Erkennen, dass die Kirche Jesu nicht nur aus Katholiken besteht, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen können, wurde mir damals sehr, sehr wichtig.
Ein Puzzleteil fehlte meinem Bild viele Jahre jedoch noch: Die Kirche besteht nicht nur aus uns Christen verschiedener Nationalität (ursprüngliche Bezeichnung in der Bibel: „Heiden“), die Jesus gefunden und angenommen haben, sondern eben auch und eigentlich zuerst aus den Mitgliedern des jüdischen Volkes. Man denke nur an die Aufschrift auf Jesu Kreuz: „INRI“ = „Jesus der Nazarener – König der Juden“. Das ist nach wie vor gültige biblische Wahrheit. Sehr wichtig war darum für uns bei KISI die Entdeckung der sogenannten „messianisch-jüdischen Bewegung“. Parallel zur Entstehung der „charismatischen Bewegung“ innerhalb der röm.-kath. Kirche ist zeitgleich in den letzten 50 Jahren innerhalb des Volkes Israel weltweit diese Bewegung gewachsen, in der sich Juden engagieren, die in Jeschúa (Jesus) den „Messias“ ihres jüdischen Volkes erkennen, der zugleich auch das Licht der Nationen („Heiden“) ist. In diesem Zusammenhang war es für mich ein Highlight, zu erkennen, dass die Bibel eigentlich nur zwischen Juden und Nicht-Juden unterscheidet und dass es heute wieder Juden gibt, die an Jesus, den Messias, glauben und die – wie die Urgemeinde in der Apostelgeschichte – als Juden innerhalb des Bundesvolkes Israel leben und nicht zu einer („heiden-”)christlichen Kirche übertreten.
Da ist mir bewusst geworden, dass Ökumene noch mehr ist als der Brückenbau zwischen verschiedenen, christlichen Kirchen; dass dieser Versöhnungsprozess nicht ohne die Versöhnung zwischen Nicht-Juden und Juden denkbar ist. Diese Versöhnung beginnt dort, wo wir aus den Nationen, die wir an Jesus Christus glauben, Juden, die an ihren Messias Jeschúa glauben, als unsere Geschwister entdecken in der einen Gottesfamilie unter dem einen Vater im Himmel. Zu dieser Entdeckung gehört auch die Erkenntnis, dass wir mit Jesus nur in Liebe verbunden sein können, wenn wir auch sein jüdisches Volk miteinbeziehen. „Dein Volk ist mein Volk“, sagt in der Bibel die Moabiterin Ruth zur Jüdin Naomi. Ab da begann ich zu beten, dass wir als KISI auch an dieser Einheit mitwirken können. Im neuen Musical “Ruth” sehen wir ja auch dieses Miteinander: die Heidin Ruth lernt über die Jüdin Naomi den „Löser“ = „Erlöser“ Israels kennen. Dieser wendet sich ihr zu und erwählt sie.
Wenn wir bei dem Bild bleiben, dass Jesus eine Braut heimführen wird, dann wir es eben eine Braut sein und kein Harem – das finde ich spannend.“
Was bedeutet Ökumene für dich?
Hannes: „Nun, ich habe anfangs die Begriffe Ökumene und Überkonfessionalität verwechselt. Jedoch: Überkonfessionell ist für mich nicht wirklich greifbar. Nicht Fisch nicht Fleisch. Klar, das wichtigste ist, dass wir an Jesus glauben.
Papst Franziskus spricht von einer Ökumene des Blutes: Terroristen fragen nicht ob wir katholisch oder evangelisch sind: sie töten Christen, egal welcher „Abteilung“. Das Blut dieser Märtyrer vereint uns. Ökumene bedeutet für mich, dass der Katholik katholisch ist – und es gerne ist. Dass der Protestant Protestant ist – und es gerne ist. Der Baptist ist Baptist usw. Schon allein in der römisch-katholischen Kirche gibt es so viele unterschiedliche Ausdrucksformen der verschiedenen Pfarren und Gemeinschaften. Miteinander lebt man und versucht einen Weg zu gehen mit Blick auf Jesus.
Wenn die messianischen Juden dazukommen, dann ist das die eigentliche Aufgabe, die wir heute haben. Denn da ist noch einiges im Argen. Es gibt noch kaum ein Miteinander. In der Geschichte waren jedoch die ersten „Christen“ durchwegs Juden, bis – hauptsächlich durch Paulus – im ganzen Vielvölker-Reich der Römer „heidenchristliche“ Gemeinden gegründet wurden. Sogar die Bezeichnung „Christen“ kam erstmals bei „Heidenchristen“ in Antiochia in Gebrauch. Sehr bald bestand die überwältigende Mehrheit der Jesus-Bewegung aus „Heidenchristen“. Die jüdischen Christen wurden immer mehr an den Rand gedrängt und verschwanden schließlich für viele Jahrhunderte von der Bildfläche. Das war ganz und gar nicht im Sinne des Erfinders. Gott sei Dank, entsteht heute wieder neu dieses urbiblische Miteinander von messianischen Juden und uns Christen aus den Nationen, an dem auch wir als KISI mitarbeiten können.
Grundsätzlich glaube ich, diese Ökumene bedeutet, dass wir in unserer Vielfalt und Verschiedenheit gemeinsam unterwegs sind. Trotz aller Spannungen, die es dadurch gibt. Aber es bedeutet nicht, dass die Unterschiedlichkeit, Individualität und Vielfalt sich in ein einziges uniformiertes Miteinander auflösen muss oder dass zum Beispiel alle römisch-katholisch werden müssten. Ich hatte zunächst meine Bedenken, ob auch wir als Katholiken 500 Jahre Reformation feiern können. Was soll es da zu feiern geben? Doch die Reformation hat bereits verschiedene Aspekte
unseres Glaubens sichtbar gemacht, wie z. B. die Wichtigkeit der Heiligen Schrift oder die Bedeutung des allgemeinen Priestertums, welche später dann auch in der römisch-katholischen Kirche als Schätze entdeckt wurden.
Wie genau will KISI das Thema “Einheit” 2017 in Angriff nehmen? Was ist da geplant?
Hannes: „Eigentlich wollten wir dieses Thema schon 2016 aufgreifen, weil uns dieser Auftrag Jesu in Johannes 17, wo er möchte, dass alle eins sind, immer schon ein Anliegen war. Im Gebet sind wir darauf gekommen, das zu verschieben und ich denke, dass der Grund auch ist, weil heuer eben 500 Jahre Jubiläum der Reformation ist, also des überlieferten Thesenanschlags Luthers, wobei es uns ein Anliegen ist, dass nicht die Trennung gefeiert wird, sondern die bisher in Gang gekommene Versöhnung. Für mich selbst war es auch ein Lernprozess, zu erkennen, was Luther und die Reformation alles Gutes gebracht haben. Ich habe zunächst eher die Spaltung gesehen, die, glaube ich, nicht gut war. Aber Luther hat auch ganz viel gesehen – richtig gesehen, was von der katholischen Kirche erst später umgesetzt wurde.
Zu diesem hoffnungsvollen Versöhnungsprozess wollen wir unseren Teil beitragen. Wir wollen, dass es ein Miteinander gibt und mir kommt vor, das funktioniert bei uns schon ganz gut. Von daher glaube ich, dass wir als KISI gar nicht so viele besondere Aktivitäten setzen müssen, sondern dass in unserem Alltag dieser Gedanke und der Fokus darauf verstärkt werden soll. Da eben Jesus möchte, dass wir eins sind und zusammenhalten sowie dass wir schon unsere Kinder auf das Bild hinweisen, dass wir ein Leib sind: Wenn wir zum Beispiel merken, dass der Zeigefinger sich ins Auge fährt, dann soll die andere Hand das verhindern. Wenn wir merken, jemand spricht schlecht über die jeweils andere Konfession, dann wollen wir das verhindern, weil es eigentlich einen Schaden darstellt für den ganzen Leib Christi. Es wäre blöd, wenn der Finger den Leib verletzt und die Hand das nicht verhindert.
Im Gespräch mit dem Leiter von KISI Holland haben wir gemerkt, dass man das mehr integrieren könnte, was uns zu diesem Thema bei KISI wichtig ist.Wir selbst werden rund um den 1. November – beim Reformationsfest– in Wittenberg sein.“
Was wollen wir durch das Motto “Mission:1” ausdrücken – und wie?
Hannes: Indem wir weiterhin dieses Miteinander selbstverständlich bei KISI leben, in diesem Jahr und allen kommenden. Es ist Jesu Auftrag, der möchte, dass wir alle eins sind, damit die Welt erkennt, dass der Vater ihn gesandt hat. Und wir möchten diesen Auftrag verwirklichen, indem wir anderen vorleben, wie wir einander lieben.
Das Interview wurde geführt von KISI-Volontärin Hanna Atzwanger.